Kindergarten, Schule, Studium und Berufsausbildung
Heute weiß ich, dass Konversation in der menschlichen Gesellschaft sehr wichtig ist und
sogar dazu geführt hat, dass wir uns so weit Entwickelt haben.
Wenn es um Konversation geht fühle ich mich trotz meiner autistischen Behinderung nicht
eingeschränkt.
Aber die Probleme fangen an, wenn es um normalen „Smalltalk“ geht. Um das gemeinsame
Miteinander zu fördern- zu erhalten.
Als Kind, wenn Besuch zu uns nach Hause kam, herrschte eine totale Überforderung in mir.
Ich wurde hibbelig- laut, bis hin zum Schreien.
Was war die Konsequenz: Mir wurde gesagt, dass ich ungezogen, bis hin zu böse bin!
Bekam manchmal sogar Schläge mit dem Holzlöffel, wenn nichts
mehr geholfen hat, wurde ich aufs Zimmer geschickt (Hausarrest).
Jetzt werden viele denken, Hausarrest -alleine-Zimmer- Für einen Autisten nicht schlimm.
Aber das stimmt so nicht! Wenn ich mich erst einmal in einem Ausnahmezustand (also völlig
Reizüberflutet) befunden habe, fiel selbst mir das Alleinsein schwer. Meine täglichen
Routinen waren dahin! Mein Gehirn konnte nicht mehr klar denken.
Heute weiß ich, es wäre für mich besser gewesen, wenn meine Eltern versucht hätten mich
erst gar nicht in einen Ausnahmezustand zu bringen. Am Besten Sie hätten mir schon ein
Tag vorher Hausarrest gegeben, damit ich den Besuch erst gar nicht zu sehen bekomme.
Wenn ich selber auch nicht die Vorschule (Kindergarten) besucht habe, weiß ich durch
meine heutige Erfahrung, dass versucht wird den Kindern anhand von spielerischen
Beispielen etwas beizubringen. Schon der Gedanke „als Kleinkind“ sich anderen ausgesetzt
zu fühlen, bereitet mir heute als 50-Jährigen sogar noch eine Gänsehaut.
In der Schule, im Klassenraum, bei Gruppenarbeiten, im Sportunterricht und vor allem in den
Pausen.
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Gleiches Szenario!!!
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Die Berührungen durch das gemeinsame Spielen: Fangen, Ticken spielen.
(Warum? Wildfremde Wesen für mich) Gleiches Spiel - völlige Reizüberflutung bis hin zu
lautem schreien. Nur das man in der Schule sich noch in einer fremden Umgebung sich befindet und keine Bezugspersonen wie z.b. die Eltern in der Nähe sind.
Was folgte für mich daraus: Völliger Zusammenbruch, dann Aggressivität, Prügeln
was das Zeug hält, egal wer mir zu Nahe kam, ob Lehrer/innen, Schüler/innen, auch
ältere Schüler. Ich habe jeden in dem Moment verprügelt.
Dieser Zustand hielt solange an, bis die Lehrer/innen sich nicht mehr zu helfen wussten und mich
eingesperrt haben und meine Mutter kommen musste, um mich von der Schule abzuholen.
Mir wäre es in meinen ersten Schuljahren lieber gewesen nur zu Hause im Hausarrest
meine Jahre zu verbringen. Aber das ist in Deutschland wegen der eingeführten Schulpflicht
nicht möglich und hätte mir ja auch nicht geholfen in der Gesellschaft zu überleben.
Denn Schulbildung ist für Jedermann -auch bei meiner Art von Behinderung- sehr wichtig.
Denn im Laufe der Zeit fing ich an mir ein System im Kopf aufzubauen. Ich bin einfach jedem so gut
wie möglich aus dem Weg gegangen. Vor allen in den Pausen. Während des Unterrichts
habe ich versucht, trotz der unzähligen Ablenkungen (Geräusche-Unruhe-Stimmen-lachen)
dem Lehrer/ innen das Gefühl zu vermitteln, ich passe gut auf. Somit schaffte ich es schon
sehr früh, mich anzupassen.
Und je älter ich und vor allem die Mitschüler um mich herum wurden, je leiser wurde der
Geräuschpegel und ich war dann sogar in der Lage, das Erlernte zu behalten und vor
allem in Klassenarbeiten wiederzugeben.
Somit schaffte ich meine Hauptschulausbildung bis hin zum Erlernen eines Berufes und sogar ein Studium an der Fachhochschule zum Dipl.- Ing. wurde für mich möglich. Und je älter ich wurde, je mehr konnte mein Gehirn an Fachwissen sammeln.
Heute weiß ich, dass mein Studium, nur bezogen auf das lernen, die
schönste Zeit für mich war. Denn im Studium interessiert sich keiner für den anderen. Alle haben
schon eine gewisse Intelligenz und wissen, dass Sie leise, keine Geräusche während des
Unterrichts machen dürfen. Sie wollen ja Fachwissen erlernen.
Und somit haben im Laufe meines Lebens nur sehr wenige Menschen bemerkt, dass ich
eigentlich für den normalen „Smalltalk – das normale Miteinander“, nicht geeignet bin.
Es ist mir nur unter größter Anstrengung, durch meiner erlernten Anpassungsstrategien, für eine
kurze Zeit möglich.
Heute im reiferen Alter bin ich sehr froh darüber, dass mein Gegenüber spätestens wenn
Er/Sie/Es bemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmt, nur noch in einer verbalen
Kommunikation enden kann.
Heute weiß ich von meiner Seite, dass Aggressivität -lautes schreien bis hin zu prügeln- auch
keine Lösung für das Problem des Miteinanders ist.
Wenn Sie mehr zu dem Thema: „Kindergarten- Schule – Studium und Berufsausbildung
erfahren wollen, sollten wir einen gemeinsamen Weg finden, ob im kleinen Kreis oder vor
großem Publikum, damit ich darüber reden kann.
Ihr Holger Korte